Gründerteams zeigen ihre Geschäftsideen und vernetzen sich
Startup & Innovation Day der TU Darmstadt
Ins Fernsehen schaffen es nicht alle. Nicolai Erbs und Patrick Schneider schon. Mit ihrem Start-up waren die Gründer von „Kitext Gmbh“ vor kurzem in der „Höhle des Löwen“, einer Gründershow des TV-Senders Vox. Dort stellten die TU-Informatiker „Privalino“ vor, ihre App, die sicheres Chatten ermöglichen und Kinder vor den Gefahren des Internet schützen soll. Über zwei Millionen Zuschauer sahen an diesem Abend zu. „Anschließend hatten wir fast tausend Registrierungen und Downloads auf unserer Webseite“, berichtet Nicolai Erbs.
Die App schlägt Alarm
Erbs hat Informatik an der TU studiert, später promoviert und sich auf Computerlinguistik spezialisiert. Der blonde junge Mann hat ein freundliches Lachen. Der Typ, den Eltern bedenkenlos als Babysitter für ihre Kinder engagieren würden und ein bisschen ist es ja tatsächlich so. Das Logo von „Privalino“ zeigt ein Kind am Laptop und einen Hund, der aufpasst. „Die Idee“, erzählt Erbs, „entstand bei einem TU-Ideenwettbewerb.“ Sie waren zu fünft, zwei von Ihnen hatten Kinder. Der Nachwuchs bekommt das erste Handy heute immer früher. Oft installieren die Kinder Messenger-Dienste wie WhatsApp. „Eltern haben dann meist keine Kontrolle, was da an Nachrichten rein oder rausgeht“, sagt Erbs.
Das Internet kann für Kinder gefährlich sein – in Form von Cybermobbing, Grooming oder Sexting, der Kontaktaufnahme durch Kriminelle oder Pädophile. Die TU-Informatiker haben einen Messenger-Dienst entworfen für Kinder und Eltern, der die Nachrichten analysiert. Sätze wie „Wollen wir uns treffen“ oder „Wie siehst du aus?“ können harmlos sein, aber Privalinos Algorithmus prüft den Kontext und Auffälligkeiten. Wenn so ein Satz nach nur kurzem Kontakt auftaucht, alarmiert das System die Eltern und der Chatpartner wird blockiert. „Kontrolle“, weiß Erbs, „ist ein schwieriges Thema unter Kindern und Eltern, aber wir versuchen, einen Mittelweg zu gehen“. Erst nach einem Alarm werden die Eltern eingeschaltet, vorher können die Kinder unbeobachtet chatten.
Suche nach Werkstudierenden
Einen etwas sorgenfreieren Alltag will auch das Team von „TEC4MED LifeScience“ seinen Kunden offerieren. Die Gründer Nico Höler, Martin Voigt und Julian Poths haben an der TU Darmstadt Maschinenbau und Informationssystemtechnik studiert und eine intelligente Kühlbox entworfen, mit der temperatursensible Medikamente oder Proben transportiert oder gelagert werden können. Gedacht ist die „Nelumbox“ für den gewerblichen Bereich, für Apotheken, aber auch Privatpersonen, die auf Medikamente angewiesen sind wie etwa Insulin oder Rheuma-Präparate, die eine gleichbleibende Temperatur benötigen. „Reisen werden so viel einfacher für diese Patienten“, betont Christian Schachmann vom Nelumbox-Team. Das Gerät hat Handgepäck-Größe, einen Tragegriff und wiegt sechs Kilogramm. Sensoren überprüfen die Temperatur innen und außen, schlagen Alarm, wenn die Tür nicht richtig verschlossen oder das Medikament umgefallen sein sollte. Über GPS kann jederzeit nachvollzogen werden, ob die so wichtige Kühlkette lückenlos gesichert ist und wo sich die Box gerade befindet.
„TEC4MED LifeScience“ hat für seine Idee bereits Fördermittel der EU und auch Unterstützung durch das Gründer- und Innovationszentrum HIGHEST der TU Darmstadt erfahren. Das Start-up der ehemaligen TU-Studenten umfasst mittlerweile über zehn Mitarbeiter und hält ein Patent auf seine Erfindung. Rund 30 Boxen, berichtet Schachmann, sind derzeit im Probebetrieb. Auf der TU-Messe im „darmstadtium“ findet die Box reges Interesse, doch das Team ist noch aus einem weiteren Grund hier: „Wir hoffen, Werksstudierende im Bereich Softwarenentwicklung zu finden und Social Media-Praktikanten.“
Netzwerken
Wie wichtig gerade das Netzwerken auf dem TU Startup & Innovation Day ist, weiß auch Brigitte Zypries. Die ehemalige Bundeswirtschaftsministerin und SPD-Politikerin sitzt heute im Beirat von HIGHEST. Jungunternehmern mit ihren Ideen auf die Beine zu helfen, dafür hat sie sich schon als Ministerin in Berlin engagiert. „Es gibt wirklich großartige Start-ups an der Universität“, begeistert sie sich. Am Messetag macht sie Stippvisiten an den Ständen der jungen Gründer-Teams. „Es geht ums Vernetzen, Zusammenbringen und Kontakte knüpfen“, betont sie und wirft einen Blick auf „Harvey“ und die frischen grünen Basilikum-Blätter, die aus der Reihe zumeist technisch anmutender Messestände herausstechen.
„Harvey“ ist weiß, sieht aus wie eine futuristische Designer-Lampe und ist die Lösung für vernachlässigte WG- oder Büropflanzen, die ohne Wasser und Licht ein tristes Dasein fristen. Sven Siebeneicher, TU-Masterstudent Wirtschaftsingenieurwesen mit Schwerpunkt Maschinenbau, gehört zu den fünf Gründern, die die App basierte Pflanzenrettung initiiert haben. Erdfeuchtigkeit, Helligkeit und Speicherstand des Wassertanks können per Handy für Basilikum, Orchidee oder Kaktus kontrolliert und gesteuert werden. „Man kann einfach genießen und ernten“, betont er. Harvey wurde von HIGHES gefördert und hat ein Hessen Ideen-Stipendium des Landes erhalten. „Mit dem Messestand wollen wir unsere Bekanntheit fördern“, so Siebeneicher.
Gleich nebenan wirbt auch Florian von Heißen für eine neue intelligente Bürolösung. An kaum sichtbaren Drahtseilen schwebt das „Floating Office“, das er und die TU-Kommilitonen Philipp Overath und Maciej Walasek entworfen haben – ein mobiler Schreibtisch ohne Beine, der bei Bedarf unter die Decke gezogen wird und als Lichtquelle dienen kann, da die Unterseite des Designerstückes als Lampe konzipiert ist. Eine technische Lösung ohne Kabelwirrwarr, gedacht für Co-Working-Büros oder Mikrohäuser. „Kleine Wohnungen in der Großstadt sind ein großer Markt“, so Heiße. Dafür hat das Team ab Oktober auch ein EXIST-Gründerstipendium des Bundeswirtschaftsministeriums erhalten.
Noch in der Vorbereitung für eine Gründung steckt dagegen Ahid S. Hajo, Doktorand am Institut für Mikrowellentechnik und Photonik der TU. Zusammen mit Hochfrequenzelektroniker Oktay Yilmazoglu hat er „THzNanoVision“ entwickelt. THz-Strahlungen können eine Alternative zu Röntgen- oder Laserstrahlen darstellen. Die Gründer in Spe nutzen dafür eine neuartige Galliumnitrid-basierte, miniaturisierte Gunndiode, ein spezielles Halbleiterelement. Der Vorteil: die Strahlen sind für Menschen ungefährlich, die Infrastruktur kostengünstig. Eingesetzt werden könnte die Technik für Bodyscanner an Flughäfen, in der Materialprüfung oder für die Kontrolle von Lebensmittelverpackungen.
Ahid S. Hajo ist zufrieden mit dem Messebesuch und den Reaktionen. „Wer an den Stand kommt, ist wirklich interessiert und teils sehr fachkundig“, sagt er. „Wir hoffen jetzt auf eine Förderung.“ Potenzielle Investoren haben jedenfalls an diesem Tag schon vorbeigeschaut.
Quelle: Pressemitteilung der Technischen Universität Darmstadt