Japanischer Immunologe erhält den Paul Ehrlich- und Ludwig Darmstaedter-Preis 2020
Auszeichnung für die Entdeckung der regulatorischen T-Zellen
Die von Sakaguchi entdeckten Immunzellen sind damit die Blauhelme des Immunsystems und ein wichtiger Garant für die unerlässliche Selbsttoleranz. Unter diesem Begriff versteht man die Fähigkeit des Immunsystems zu unterscheiden, was fremd ist und was zum Körper gehört. Fehler bei dieser Unterscheidung führen zu Autoimmunerkrankungen, Allergien oder Abstoßungsreaktionen. Ohne regulatorische T-Zellen drohen Krankheiten wie Typ1-Diabetes, Multiple Sklerose oder Rheuma. Nützliche Bakterien im Darm würden ohne regulatorische Zellen nicht toleriert werden und ein heranwachsendes Kind im Mutterleib würde ohne die Mitwirkung dieser Zellen abgestoßen werden.
So naheliegend die Existenz einer solchen mobilen Friedenstruppe im Immunsystem ist, so schwierig war deren Nachweis. In den 1960er und 1970er Jahren überwog die Meinung, dass über die Selbsttoleranz ausschließlich im Thymus entschieden wird, einem Organ hinter dem Brustbein. Keine Immunzelle sollte den Thymus verlassen können, ohne gelernt zu haben, zwischen fremd und selbst zu unterscheiden. Aufpasser-Zellen außerhalb dieses Organs schienen nicht mehr nötig zu sein. Sakaguchi war anderer Ansicht und sollte Recht behalten. Er konnte durch eine Reihe kluger Experimente zeigen, dass es eine eigene, eindeutig identifizierbare Klasse von T-Zellen gibt, die den Thymus zusammen mit den anderen T-Zellen verlassen und die dafür sorgen, dass die T-Zellen, die ihre Lektion in Selbsttoleranz nur unzureichend gelernt haben, nirgendwo im Körper Amok laufen.
„Shimon Sakaguchi wird nicht nur für diese bahnbrechende Entdeckung geehrt, sondern auch für seine Weitsicht und konsequente Beharrlichkeit,“ sagt Professor Thomas Boehm über die aktuelle Nominierung. Boehm ist Direktor am Max-Planck-Institut für Immunbiologie und Epigenetik in Freiburg und Vorsitzender des Stiftungsrates. „Weil Sakaguchi seinen eigenen Experimenten mehr getraut hat als der gängigen Meinung, bewies er zuerst bei Mäusen und dann beim Menschen die Existenz der regulatorischen T-Zellen. Er zeigte zudem, dass Patienten mit dem seltenen IPEX-Syndrom keine regulatorischen T-Zellen besitzen und deshalb schon früh schwere Autoimmunerkrankungen entwickeln. Damit hat er auch die klinische Relevanz dieser Zellen belegt“, so Boehm weiter.
Regulatorische T-Zellen sind somit exzellente Zielmoleküle für die Therapie, und zwar sowohl für Erkrankungen, bei denen das Immunsystem über die Stränge schlägt, als auch für Erkrankungen, bei denen das Immunsystem nicht mit der gebotenen Konsequenz gegen Missstände vorgeht. Für die Behandlung von Autoimmunerkrankungen, Allergien oder Abstoßungsreaktionen müssen die regulatorischen T-Zellen gestärkt werden, damit die unerwünschten Immunreaktionen beendet werden. Gegen Krebs gilt es, ihre Aktivität zu dämpfen, damit das Immunsystem entfesselt wird und entschlossener gegen den Tumor vorgeht. Inzwischen prüfen zahlreiche klinische Studien diese neuartigen Konzepte.
Über den Paul Ehrlich- und Ludwig Darmstaedter-Preis
Der Paul Ehrlich- und Ludwig Darmstaedter-Preis wird traditionell an Paul Ehrlichs Geburtstag, dem 14. März, in der Frankfurter Paulskirche verliehen. Mit ihm werden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler geehrt, die sich auf den von Paul Ehrlich vertretenen Forschungsgebieten besondere Verdienste erworben haben – insbesondere in der Immunologie, der Krebsforschung, der Hämatologie, der Mikrobiologie und der Chemotherapie.
Quelle: Pressemitteilung der Goethe-Universität Frankfurt