29. Erfinderlabor: Energiewende now! Hessens Jungforscher machen mobil
16 Oberstufenschüler forschen mit Wasserstoff und Brennstoffzellen / Kooperation mit Hochschule RheinMain und GGEW AG
Bensheim/Rüsselsheim 18.02.2020 - Das war wirklich ein "friday for future". In diesem Fall nicht auf der Straße, sondern in der Schule - sogar nach offiziellem Unterrichtsschluss. Das Finale des Erfinderlabors am vergangenen Freitag im südhessischen Bensheim war ein kollektives Plädoyer für eine intelligente Energiewende auf der Basis innovativer Technologien. Fazit: Beim Umbau der Energiewirtschaft kommt man an Wasserstoff als Speicher und Treibstoff kaum vorbei.
Zum 29. Mal hatte das Zentrum für Chemie (ZFC) 16 leistungsstarke und hoch motivierte Oberstufenschüler aus ganz Hessen eingeladen, um sich im Dialog mit Wirtschaft und Wissenschaft mit einem brandaktuellen Zukunftsthema zu beschäftigen: Elektromobilität und Brennstoffzellen. Denn Wasserstoff ist im Kontext von Energiewende und Klimaschutz längst auch zu einem politischen Element geworden. Während die Bundesregierung vor wegweisenden Entscheidungen steht, haben sich jeweils acht Schülerinnen und Schüler im Jahr vor dem Abitur in eine Materie vertieft, die auf dem Stundenplan normalerweise kaum Raum einnimmt.
Bei der Abschlussveranstaltung in der Geschwister-Scholl-Schule präsentierten die vier Schülerteams vor rund 150 Zuschauern ihre Forschungsergebnisse. Und das so eloquent, fundiert und plastisch, dass auch die Experten Beifall klatschten. "Ihr habt ein sehr komplexes Thema souverän erläutert", kommentierte Dr. Karsten McGovern. Der Leiter der LandesEnergieAgentur Hessen war vom Forschergeist der jungen Generation ebenso begeistert wie alle Schüler, Eltern und Lehrer, die zum Finale nach Bensheim gekommen waren. Im Namen der Schulleitung begrüßte Thomas Stricker am Freitag Gäste aus ganz Hessen an der Bergstraße.
Darunter auch Matthias Werner aus dem Wasserstofflabor der Hochschule RheinMain, wo die Schüler drei Tage lang im Fachbereich Ingenieurwissenschaften unter der Leitung von Prof. Birgit Scheppat (H2BZ) geforscht und eigene Lösungsansätze entwickelt haben. Dabei ging es um die Eigenschaften von Wasserstoff, um seine Dichte und seine physikalischen wie energetischen Eigenschaften. Werner lobte die spielerisch leichte Art, wie die Teilnehmer das Thema ausgeleuchtet haben. "Wir müssen die Vorbehalte in der Bevölkerung zum Thema Wasserstoff abbauen. Das Erfinderlabor hilft dabei", sagte er in Bensheim. Das ZFC wolle junge Menschen für relevante naturwissenschaftliche Fragestellungen begeistern und ihren Wissensdrang anregen. "Dahinter stehen wir voll und ganz!"
Der Workshop ist das prominenteste unter den Projekten der Initiative "Schule 3.0", die Zukunftstechnologien in den regulären Fachunterricht einbinden will. "Lehrer müssen unterstützt werden, solche Inhalte im Unterricht zu vermitteln", betont ZFC-Vorstand Dr. Thomas Schneidermeier, Initiator und treibende Kraft des Erfinderlabors, das seit 2005 in enger Zusammenarbeit mit Hochschulen, Industrie und Verbänden organisiert wird. Im aktuellen Schuljahr haben sich fast 200 Schülerinnen und Schüler aus 73 Schulen mit gymnasialer Oberstufe für die beiden Workshops beworben, so Projektleiterin Binke Friedrich. Sie werden nach strengen Kriterien des ZFC ausgewählt und können sich eine Woche lang in einem professionellen Umfeld mit anspruchsvollen wissenschaftlichen Themen auseinanderzusetzen. Die Nachfrage rangiert auf einem konstant hohen Niveau.
"Die Berufschancen im MINT-Umfeld sind exzellent und eröffnen durch die Energiewende neue Perspektiven", so Dr. Thomas Schneidermeier, der mit dem ZFC in einem Schulnetzwerk Unterrichtseinheiten entwickelt hat, um gesellschaftlich relevante Themen wie die Energiewende in den Regelunterricht der MINT-Fächer zu integrieren und damit auch die berufliche Orientierung der Jugendlichen zu verbessern. Eine besondere Rolle spielen dabei ressourceneffiziente Zukunftstechnologien.
Neue Perspektiven für die Region sieht man in Südhessen in einem derzeit geplanten MINT-Zentrum, das in Zusammenarbeit mit dem Land Hessen konzeptuell neue Wege gehen und zu einem bedeutenden "Innovationsmotor" für die Region Südhessen werden soll, wie Landrat Christian Engelhardt ankündigt. Er bezeichnete Dr. Thomas Schneidermeier als "spiritus rector" dieses Konzepts eines "Future Labs", das als eigenständig agierende Ergänzung zum schulischen Angebot von interessierten und talentierten Schülern aus der ganzen Region genutzt werden soll. Der Bensheimer Bürgermeister Rolf Richter könnte sich vorstellen, dass der Standort zu einer Art Kaderschmiede für den MINT-Nachwuchs wird.
Auch Dr. Karsten McGovern erkennt in diesem Vorhaben eine Chance, um junge Menschen aktiv für neue Technologien zu begeistern. "Das könnte der Ort sein, an dem eine Initiative wie Schule 3.0 umgesetzt und hessenweit in die Fläche getragen wird." Zum Erfinderlabor sagt er: "Es ist beeindruckend, den Enthusiasmus und die Vielzahl an Ideen zu sehen, die in einer Woche entstanden sind. Kreative Antworten auf aktuelle Fragen sind immer willkommen, vor allem wenn sie aus den Reihen junger Menschen kommen. Denn sie sind es, die der Klimawandel hauptsächlich betreffen wird." Hierfür nach Lösungen zu suchen, unterstütze die LandesEnergieAgentur Hessen mit großer Begeisterung. "Jede Veränderung beginnt im Kopf. Schule ist der richtige Platz dafür."
Auf dem Schulgelände konnten sich die Gäste am Freitag vom technologischen Fortschritt persönlich überzeugen. Das Busunternehmen Winzenhöhler aus Groß-Zimmern war mit einem Brennstoffzellenbus vor Ort, wie er im Industriegebiet Frankfurt-Höchst bereits seit einigen Jahren im Einsatz ist. Geschäftsführer Chris-tian Winzenhöhler gilt als Pionier seiner Branche und hat derzeit acht solcher Fahrzeuge in der Flotte. Bei einer vorgeschalteten Podiumsdiskussion mit Moderator Florian Schmanke und Schülern des benachbarten Goethe-Gymnasiums betonte er, dass neben einer besseren Marktsituation auch die Lade-Infrastruktur gerade für Nutzfahrzeuge dringend ausgebaut werden müsse. "Nur dann können wir einen nachhaltigen Umstieg auf Brennstoffzellentechnologie schaffen."
Mit 88 E-Ladenpunkten in der Region rangiert das Netz der GGEW AG "auf Großstadtniveau", wie Vorstandsvorsitzender Carsten Hoffmann betont. Bei einem Be-such beim Energiedienstleister hatten die Jungforscher Gelegenheit, Elektromobilität in der Praxis zu erleben. Die GGEW AG setzt sich seit vielen Jahren für Erneuerbare Energien, die Energiewende und den Ausbau der E-Mobilität ein. "Alles Themen, die auch vom Erfinderlabor aufgegriffen werden", so Carsten Hoffmann. "Eine klasse Aktion! Wir freuen uns, auch in diesem Jahr wieder als Partner dabei zu sein."
Auch die Schülerteams zogen ein klares, wenngleich auch kritisches Fazit: Wasserstoff als kohlenstofffreier Energieträger und -speicher sowie Brennstoffzellen als effizienter Energiewandler seien wesentliche Schlüsselelemente eines integrierten Energiesystems, in dem die Sektoren Strom, Wärme und Verkehr eng gekoppelt - und idealerweise vollständig aus erneuerbaren Energien gespeist werden müssten. "Sonst nützt der beste Speicher nichts!"
Beim Erfinderlabor haben sie analytisch und interdisziplinär gearbeitet und sogar einen eigenen Schülerversuch für einen Pufferspeicher entwickelt. "Respekt! Das waren durchweg plastische, fundierte und anschauliche Präsentationen", so Oliver Eich, der bei der LandesEnergieAgentur Hessen die Geschäftsstelle Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Initiative Hessen betreut.
Zum Abschluss hatte das ZFC für alle Schüler Zertifikate und ein Jahresabonnement der Zeitschrift Spektrum der Wissenschaft parat. Außerdem wurden in Bensheim vier MINT-Stipendien der Fraunhofer Gesellschaft für die wissenschaftlichen Talent-School-Programme verlost.
Eine exklusive persönliche Einladung hatte Gregor Disson vom Verband der Chemischen Industrie (VCI) in Hessen mitgebracht: Der Geschäftsführer lud alle Teilnehmer des Erfinderlabors zum Parlamentarischen Abend der Chemie am 6. Mai ins Wiesbadener Kurhaus ein. Eine Dialogveranstaltung, bei der auch die Stimme der Jugend gefragt sei, so Disson in Bensheim: "Mischen Sie sich ein. Sie sind die Gestalter unserer Zukunft."
Das Erfinderlabor wird seit 2005 vom Zentrum für Chemie (ZFC) organisiert. Das ZFC ist ein eingetragener gemeinnütziger Verein. Er führt seit 2004 in Kooperation mit Schulen, Hochschulen, Unternehmen, Verbänden, Stiftungen und Ministerien Projekte durch, um neben der Vermittlung einer Grundkompetenz in den Naturwissenschaften gesellschaftlich relevante Themen wie den Klimaschutz, die Energiewende und die Ressourceneffizienz in den Unterricht der MINT-Fächer Chemie, Physik, Mathematik, Biologie und Informatik zu integrieren und mit klassischen Unterrichtsinhalten zu verzahnen. Damit sollen fachliche Grundlagen für eine Meinungsbildung gelegt, aber auch Perspektiven für neue Berufsfelder vermittelt werden. Das Erfinderlabor ist Teil der ZFC-Initiative "Schule 3.0 – Zukunftstechnologien in den Unterricht".
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