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21.12.2022

Wo fließt er denn?

Nachbericht zur Veranstaltungsreihe „Materials to RePower EU“ vom 8. Dezember 2022

Der Nachbericht zur Veranstaltung „Materials to RePower EU“ vom 8. Dezember 2022 mit dem Schwerpunktthema "Materialinnovationen für den Wasserstofftransport" zum Nachlesen. 

© Hessen Trade & Invest

Wasserstoff kann insbesondere dort klimaverträglich hergestellt werden, wo Wind und Sonne keine Mangelware sind. Bis 2030 will die EU zehn Millionen Tonnen grünen Wasserstoff importieren, die ersten Lieferverträge sind geschlossen. Wie aber kommt das Gas aus Marokko und Australien in die EU oder aus Namibia und Abu Dhabi nach Deutschland? Welche Wege innerhalb Europas sind geeignet und wie gelangt hierzulande erzeugter Wasserstoff zum Verbraucher? Diesen wichtigen Fragen widmete sich am 8. Dezember die Veranstaltung Materialinnovationen für den Wasserstofftransport von Materials Valley und dem Technologieland Hessen.

Wasserstoff ist von Natur aus kein besonders gehaltvoller Energieträger, er hat bei Raumtemperatur einen niedrigen volumetrischen Energiegehalt und einen hohen Dampfdruck. Für seinen Weg vom Hersteller zum Kunden muss das H2 daher komprimiert, verflüssigt, an einen Träger adsorbiert oder chemisch gebunden werden. Nur dann wird der Transport ausreichend großer Margen möglich.

Wasserstoff in Reichweite

Welche Transportoption geeignet ist, hängt von vielen Faktoren ab. „Dabei geht es nicht nur um die Entfernung“, betont Professor Birgit Scheppat, Wasserstoffexpertin an der Hochschule RheinMain und Vorstandsmitglied der H2BZ-Initiative Hessen. Sondern auch: Was ist die lokal beste Variante der Erzeugung? Für welche Anwendung ist der Wasserstoff vorgesehen? Welche Reinheit und welche Menge braucht der Kunde?
In Europa entsteht derzeit auf Basis der bestehenden Erdgasnetze ein European Hydrogen Backbone. Bis 2030 sollen fünf paneuropäische Wasserstoffversorgungs- und -importkorridore mit über 30.000 Kilometer Leitungen entstehen, die Wasserstofferzeuger und Häfen mit den großen Nachfrageregionen verbinden.

Alte Leitungen für neues Gas

Beim Wasserstoffnetz beginnen Europa und Deutschland nicht bei Null. „Die bestehenden Gasnetze können zum großen Teil für die Verteilung von Wasserstoff-Erdgas-Mischungen und für Wasserstoff genutzt werden “, sagt Stefan Griesheimer, Produktmanager beim Rohrhersteller Aliaxis Deutschland.

Pilotprojekte zeigen, dass die Beimischung von bis zu 35 Prozent H2 weder für Rohre noch für Messeinrichtungen Probleme bereitet. Kunststoffleitungen auf kurze Distanzen sind insbesondere dann für Wasserstoff geeignet, wenn sie mit innenliegenden Permeationssperren aus Metall oder Polyamid ausgerüstet werden. Derzeit untersucht der Branchenverband DVGW in einem Forschungsprojekt, wie gut sich solche Mehrschichtleitungen in der Praxis verlegen und schweißen lassen. Auch Anlagenbauer sind gefordert: „Wasserstoff braucht besonders migrationsdichte Ventile und Apparaturen, die hohen Drücken und Durchflussraten standhalten“, betont Guido König, Segmentmanager Chemicals beim Armaturenhersteller Samson.

Chemie ist….

Wasserstoff ist zwar ein Gas, lässt sich aber einfacher und effizient in chemisch gebundener, flüssiger Form transportieren, zum Beispiel als Molekülbestandteil von Methanol, Ammoniak oder bestimmten Wärme trägerölen (liquid organic hydrogen carriers, kurz: LOHC). „Vor allem Methanol erlebt derzeit als Energieträger weltweit einen Boom, insbesondere in China“, weiß Ludolf Plass, Vorstandsmitglied von Global Energy Solutions. Wie Wasserstoff folgt auch Methanol einer Farbenlehre – grünes Methanol entsteht aus Biomasse und mit Hilfe von Solar- und Windstrom aber auch mit CO2 aus der Luft.

…wenn der Wasserstoff fließt

Für internationale Transporte setzt die Hydrogenious LOHC Technologies GmbH auf organische Trägeröle wie Benzyltoluol. Dafür wird in einer Hydrierungsanlage Wasserstoff zunächst katalytisch an das Trägeröl gebunden. „Das schwer entflammbare und chemisch stabile Öl kann dann per Schiff, Lkw oder Bahn über weite Strecken transportiert werden“, sagt Siying Huang, Projektentwicklerin bei Hydrogenious. Beim Kunden wird das Benzyltoluol thermisch wieder dehydriert und der Wasserstoff freigesetzt, das entladene Öl gelangt für den nächsten Zyklus zurück zur Hydrierungsanlage.

Hydrogeniuos hat gemeinsam mit Partnern mehrere LOHC-Pilotprojekte in Deutschland und Schweden gestartet. Aber auch mit Abu Dhabi sind erste Schritte für eine Lieferkette von bis zu 180.000 Tonnen H2 pro Jahr gemacht. Ein Vertrag mit dem Hafen Amsterdam sieht gar eine Importmenge von jährlich einer Million Tonnen H2 vor.

Ammoniak aus dem deutschen Norden

Das BMBF-geförderte Campfire-Bündnis setzt dagegen auf Ammoniak (NH3). Herzstück der Initiative ist die Region Nord-Ost um die Städte Rostock, Stralsund und Greifswald mit ihrer großen Windkapazität. „Grüner, mit Windstrom hergestellter Ammoniak kann als molekulare Batterie beispielsweise emissionsfrei Schiffe antreiben“, sagt Jens Wartmann, Materialexperte beim Zentrum für Brennstoffzellentechnik (ZBT). Das ZBT entwickelt kleinskalige und dezentral einsetzbare Haber-Bosch-Syntheseanlagen, in denen Wasserstoff und Stickstoff zu Ammoniak umgesetzt wird. Zudem arbeitet das ZBT mit Partnern an der Entwicklung von Tankstellen und Antrieben für NH3. In Rostock entsteht derzeit ein Technologiepark, in dem unter anderem Ammoniak-Cracker und Hochtemperaturelektrolyseure getestet werden.

Für Ammoniak als Wasserstoffträger spricht einiges: NH3 ist eine der weltweit am meisten produzierten Chemikalien, Infrastruktur und Handling sind etabliert. Gegenüber Methanol hat Ammoniak einen besseren Gesamtwirkungsgrad, gegenüber flüssigem Wasserstoff eine deutlich höhere Transportkapazität: Der weltweit größte Wasserstofftanker kann laut Wartmann 100 Tonnen H2 aufnehmen, der größte Ammoniaktanker dagegen knapp 18.000 Tonnen H2. Noch ist grüner Ammoniak mit über 650 Dollar pro Tonne teuer. Etwa ab 2027 könnten – beispielsweise aus geplanten Anlagen in Australien, Kasachstan und dem Oman - größere Mengen verfügbar sein.

Wasserstoff fest gemacht

Wasserstoff-Carrier können auch fest sein. Sogenannte Metallhydride haben eine hohe Speicherdichte für H2 und einen niedrigen Speicherdruck, zudem können sie auch thermische Energie – beispielsweise die Abwärme von Elektrolyseuren – aufnehmen. Sie eignen sich als „Wasserstoff-Batterie“ insbesondere für saisonale und lokale Speicher, für Mikrogrids und die Gebäudeversorgung. Das Fraunhofer IWKS testet derzeit eine Titaneisen-Legierung, die relativ kostengünstig ist, eine hohe H2-Kapazität hat und das Gas schon bei Temperaturen unter 100°C wieder freigibt. Ein schwieriger Schritt ist die Herstellung von ausreichend kleinen Partikeln, betont Konrad Güth, Abteilungsleiter Analytik am IWKS.

Auch Eisenpartikel können durch chemische Oxidation und Reduktion mit Energie be- und entladen werden. Der Vorteil gegenüber komplexen Metalllegierungen: „Eisen ist kostengünstig, leicht transportfähig, überall vorhanden und kohlenstofffrei “, erläutert Professor Andreas Dreizler, Leiter des Fachgebiets Reaktive Strömungen an der TU Darmstadt. Daher entsteht beim Eisenkreislauf kein Treibhausgas.

Das Start-up Ambartec AG hat bereits einen Speicher entwickelt, in dem Eisenoxid-Pellets mit Wasserstoff reduziert werden. Dabei entsteht Wasserdampf – der z.B. für die Hochtemperaturelektrolyse direkt genutzt werden kann - und elementares Eisen. Zum Entladen wird Dampf eingeleitet, der das Eisen wieder oxidiert und H2 freisetzt. „Bei Beladung des Speichers direkt an der Elektrolyseanlage kann aus derselben Strommenge 50 Prozent mehr Wasserstoff erzeugt werden“, betont Matthias Rudloff, CEO von Ambartec.

Endlager für das Treibhausgas

Eine grüne Wasserstoffwirtschaft ist bisher noch eine Vision. In der Zwischenzeit werden auch konventionell hergestellter Wasserstoff, Methanol oder Ammoniak genutzt. Klimaneutral werden diese Prozesse, wenn das entstehende CO2 aufgefangen und endgelagert oder anderweitig genutzt wird

Auch hierfür sind erste Schritte getan. Wintershall Dea beispielsweise plant mit dem Projekt BlueHyNow in Wilhelmshaven eine Anlage zur Produktion von großen Mengen Wasserstoff aus norwegischem Erdgas. Das CO2 wird vor Ort aufbereitet und soll mit Schiffen und Pipelines in offshore-Lagerstätten vor der dänischen und norwegischen Küste transportiert werden. Erste Probeinjektionen in die ehemalige Öllagerstätte Nini West vor Dänemark sind für Anfang 2023 geplant. Bis 2028 soll die Lagerkapazität auf acht Millionen Tonnen pro Jahr steigen, sagt Margarethe Kleczar, Vice President Carbon Management bei Wintershall Dea. Das entspricht etwa einem Drittel der CO2-Emissionen der deutschen Zementindustrie.

In Zukunft könnten deutsche Industriezentren per Pipeline mit dem Energy Hub Wilhelmshaven verbunden werden, um deren Treibhausgasemissionen in die Endlagerung einzukoppeln. Die Nachfrage ist groß. Kleczar: „Wir werden schon heute von vielen Zement- und Kalkherstellern kontaktiert, die Wege suchen, um ihr CO2 unterzubringen.“

Materials to RePowerEU

Nächster Termin 24.1.: Sicherheit und Zuverlässigkeit von Materialien und Bauteilen der Wasserstoffwirtschaft

Als Reaktion auf die globale Energiekrise hat die EU-Kommission im Mai 2022 den Plan RePowerEU aufgelegt. Er soll u.a. den Energieverbrauch senken und den Ausbau sauberer Energieträger voranbringen. Die neue Online-Veranstaltungsreihe „Materials to RePowerEU“ von Materials Valley und dem Technologieland Hessen beleuchtet zentrale Fragen: Welche Materialinnovationen, neuen Technologien und Fortschritte bei Fertigung, Betrieb, Transport und Nutzung braucht ein RePowering von Deutschland und der EU? Wo auf dem Weg stehen derzeit Forschung und Industrie?

Beim nächsten Termin der Veranstaltungsreihe am 24. Januar 2023 steht das Thema Sicherheit und Zuverlässigkeit von Materialien und Bauteilen der Wasserstoffwirtschaft – im Mittelpunkt.Programm und Anmeldung

Foto: Simon Schneider
Simon Schneider
Ansprechpartner im Technologieland Hessen

Simon Schneider

Foto: Simon Schneider Projektleiter Materialtechnologien
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    Materials Valley e.V.
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    Der Verein Materials Valley e.V. wurde im Frühjahr 2002 unter der Beteiligung von Industrieunternehmen, Hochschulen, Forschungsinstituten, Institutionen der Länder zur Förderung von Technologie und Wirtschaft und Privatpersonen gegründet. Ziel des Vereins ist die Profilierung der Region Rhein-Main als High-Tech Standort für Materialforschung und Werkstofftechnologie. Dies beinhaltet den Ausbau von Wissensnetzen zu einem langfristig angelegten Forschungsverbundnetz zwischen den wissenschaftlichen Instituten und Unternehmen der Region sowie zwischen Unternehmen als Grundlage für Kooperationen, gemeinsame Forschung und Entwicklung.

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