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03.04.2023

Mobilität gibt Gas

Der Nachbericht zur Veranstaltung "Wasserstoff für die Mobilität"

Veranstaltungsreihe "Materials to RePower EU“: Antriebe für Wasserstoff und Wasserstoff-basierte Kraftstoffe sind auf dem Weg in den Massenmarkt.

© Hessen Trade & Invest / bartels + drescher

Mobilität ist und bleibt der Motor erfolgreichen Wirtschaftens – das gilt auch in der Klima-, Energie- und Ressourcenkrise. Wie macht Wasserstoff künftig klimaverträglich mobil? Welche Entwicklungen sind marktreif, wo fehlen noch geeignete Lösungen? Bei der Veranstaltung „Wasserstoff für die Mobilität“ des Materials Valley e.V. und des Technologielands Hessen am 17. März gaben Unternehmen und Forschungsinstitute Antworten auf diese wichtigen Fragen.

Eine neue Potentialanalyse zeigt, dass sich in Hessen der Wasserstoffbedarf zwischen 2030 und 2045 von 8.300 auf 30.000 GWh vervielfachen wird, der Mobilitätssektor beansprucht davon etwa ein Viertel. Im Taunus verkehrt die weltweit größte Brennstoffzellen-Zugflotte und die Betreiber des Frankfurter Flughafens streben den Einsatz von Wasserstoff in der Luftfahrt an. „Hessen ist also ein wahrer Hotspot für den Verkehr der Zukunft“, betont Sandro Szabó, Projektleiter Materialtechnologien beim Technologieland Hessen.

Wasserstoff-Ökosystem an Rhein und Main

Schmierstoff für die Mobilität der Zukunft ist Vernetzung: Die Bündelung vorhandener Expertise, die Kooperation über wissenschaftliche Disziplinen hinweg, der enge Austausch zwischen Forschung, Industrie und Anwendern. In sogenannten HyPerformer-Regionen haben sich erste Wasserstoffnetzwerke, Infrastrukturen und Projekte etabliert. Die vielversprechendsten davon werden vom Bundesverkehrsministerium seit 2020 im Rahmen des HyLand-Wettbewerbs gefördert.

Dazu zählt auch die Region Rhein-Neckar. „Die erweiterte Rhein-Main-Region hat das Potential, Europas größte Wasserstoffregion zu werden“, ist David Coleman, Geschäftsführer der Hynes GmbH, überzeugt. Wesentlich dafür sei die regionale Verknüpfung von Wasserstoff-Quellen – den Herstellern, Importeuren und Elektrolysestandorten – mit den Wasserstoff-Senken, also den unterschiedlichen Sektoren als Verbraucher. Insgesamt gibt es laut Coleman in Hessen fünf Regionen, in denen umsetzungsreife Verkehrsprojekte bereits angestoßen wurden und die förderwürdig sind.

MEA für den Massenmarkt

Für Brennstoffzellen (BZ) und Elektrolyse im Massenmarkt sind zuverlässige Prüfverfahren essenziell. Die TU Darmstadt arbeitet an Testmethoden, mit denen realitätsnah die chemischen Prozesse und Aktivitäten von Elektrokatalysatoren untersucht und optimiert werden. Gemeinsam mit anderen Forschungsinstituten wurde eine neue Methodik entwickelt, um die Membran-Elektroden-Einheiten (MEA)des BZ-Stacks „zuverlässig und deutlich schneller als bisher unter technisch relevanten Stromdichten zu vermessen“, betont Bastian Etzold, Professor für Technische Chemie an der TU.

Zu den technischen Herausforderungen gehören nicht zuletzt eine ausreichend hohe Lebensdauer der BZ-Stacks und eine Verringerung der Kosten, beispielsweise durch Minderung der Edelmetallgehalte in den Katalysatoren, sagt Michael Götz, Entwickler bei der EKPO Fuel Cell Technologies. Auf längere Sicht steht womöglich auch der Ersatz fluorhaltiger Membranmaterialien an, da die EU derzeit über die gesundheitlichen Gefahren und ein entsprechendes Verbot fluorhaltiger Substanzen (PFAS) berät.

Die Realität im Labor

In der Praxis ist eine Brennstoffzelle – beispielsweise eingebaut in einen großen Lkw – ständig Vibrationen, wechselnden Temperaturen und Druckbelastungen ausgesetzt. Das Fraunhofer LBF hat sich zum Ziel gesetzt, BZ-Stacks möglichst realitätsnah im Labor zu testen. Das gelingt am LBF durch eine Kombination von Temperaturkammer und Fahrzeugenergiesimulator mit einem Schwingerreger. „Diese Simultanmessungen erhöhen das Verständnis des Gesamtsystems und beschleunigen den Weg in den Markt“, ist Benedict Götz, Leiter der Gruppe Systemzuverlässigkeit am LBF, überzeugt.

Viele Anfragen aus der Industrie drehen sich derzeit um bewährte Werkstoffe, deren praktische Wasserstoff-Tauglichkeit erst noch belegt werden muss. Daher plant das Zentrum für Konstruktionswerkstoffe der TU Darmstadt den Bau eines H2-Hochtemperaturlabors. „Damit werden wir ab 2024 mit diversen Prüfmaschinen belastbare Kennwerte für Forschung und Industrie bereitstellen“, prognostiziert Bereichsleiter Christian Kontermann.

Auf die Straße gebracht

Die Fahrzeugindustrie ist mit neuen Antrieben auf dem Weg zur Serie. Opel hat 2020 einen Kleintransporter vorgestellt, bei dem der Antriebsstrang eine Brennstoffzelle mittlerer Leistung mit einer Batterie als Energiereserve kombiniert - quasi ein Brennstoffzellenfahrzeug als Plug-In-Hybrid. „Durch dieses Konzept lassen sich Bauteile wie Wasserstofftanks und Batterie besser im Fahrzeug verteilen, die Kosten sinken und vom Laderaum geht nichts verloren“, sagt Lars Peter Thiesen, Leiter Einführungsstrategie Wasserstoff & Brennstoffzelle bei Opel.

Praxisreif sind mittlerweile auch die Wasserstofftankstellen – und das, obwohl die Anforderungen ähnlich umfangreich sind wie bei mancher Chemieanlage: Die Bauteile müssen druckfest und undurchlässig gegenüber Wasserstoff sein, die Verdichter müssen über alle Temperaturextrema funktionieren, das gesamte System salziger Seeluft an der Küste genauso standhalten wie Bedingungen im Wüstenklima.

Noch gibt es technische und logistische Fragen. „Die notwendigen Werkstoffe für den Bau der Tankstellen sollen möglichst regional verfügbar und leicht zu bearbeiten sein“, sagt Matthias Kurras, Geschäftsführer der Maximator Hydrogen GmbH. Wichtig sind zudem ein modularer Aufbau und ein größenskalierbares Anlagenkonzept. Die gute Nachricht: Die spezifischen Betriebskosten mit H2 liegen laut Kurras derzeit nur noch um den Faktor 1,26 höher als mit Dieselkraftstoff. „Eine Kostenparität ist absehbar“.

Neustart in der Luft

Für die Luftfahrt könnte Wasserstoff einen Neustart bedeuten. „Da Kryotanks und Drucktanks um den Faktor vier bis neun größer sind als Kerosintanks, benötigen wir ein neues Flugzeugdesign“, sagt Léonie Lauer vom hessischen Kompetenzzentrum für Klima- und Lärmschutz im Luftverkehr (CENA Hessen). Wasserstoff erfordert angepasste Terminals, veränderte Start- und Landebahnen für anders geformte Flieger und ausreichend große Tankstellen, die H2 in flüssiger und gasförmiger Form anbieten. Eventuell müssen sogar „Tankmanagement“ und Flugbetrieb verändert werden: Ein mit H2 betanktes Flugzeug muss ohne große Verzögerung abheben, da sonst der Wasserstoff in den Tanks in den gasförmigen Zustand übergeht (sogenanntes Boil-Off).

Trotz vieler offenen Fragen rund um den Flugbetrieb arbeitet die Luftfahrtindustrie an ersten Flugzeugen. Airbus will bereits bis 2035 einen Jet mit H2-Turbine entwickeln. Andere setzen auf die Brennstoffzelle vor allem für kleinere Propeller-Flieger. „Brennstoffzellen sind in der Luftfahrt schon etwas bekannter und erprobter“, sagt Lauer. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt beispielsweise will bis 2040 einen 70-Sitzer für Entfernungen bis zu 2000 Kilometer einsatzbereit haben.

Schub durch Ammoniak

Wie das Flugzeug brauchen auch Schiffe für neue Treibstoffe weitaus größere Tanks. Allerdings könnten Kreuzfahrtschiffe oder Frachter künftig anstelle von Wasserstoff mit wasserstoffhaltigen Verbindungen wie Methanol und Ammoniak fahren. „Für flüssiges Methanol als Kraftstoff müssen die Motoren nur gering geändert werden“, sagt Cornelius Wagner, Entwicklungsingenieur bei MAN Energy Solutions SE. Anders bei gasförmigem Ammoniak, das verdichtet und gekühlt werden muss. Ammoniak sei zwar weniger effizient, aber kostengünstiger herzustellen als Methanol, betont Wagner.

Beide Kraftstoffe erzeugen allerdings bei der Verbrennung im Motor schädliche Emissionen: Aus Ammoniak entstehen Stickoxide und Lachgas, aus Methanol Kohlenmonoxid und Formaldehyd. „Aber diese Kraftstoffe werden kommen“, ist Wagner überzeugt. Die Internationale Seeschifffahrts-Organisation IMO hat das Ziel ausgegeben, dass die Kohlenstoffintensität der Schifffahrt bis 2030 um 40 Prozent (im Vergleich zu 2008), bis 2050 um 70 Prozent sinken soll.

Ammoniak sehen manche Firmen nicht nur auf hoher See, sondern auch in Schwerlastverkehr als treibende Kraft. Christian Hermle, Geschäftsführer der Ammonigy GmbH: „Ammoniak wird weltweit in großen Mengen hergestellt, ist in flüssiger Form gut zu speichern und zu transportieren.“ Das Start-up hat eine mobile Einheit entwickelt, die Ammoniak in Wasserstoff und Stickstoff zerlegt. Ein Gemisch aus 80 Prozent Ammoniak und 20 Prozent Wasserstoff brenne im Motor ausreichend gut und mit ähnlich hohem Wirkungsgrad wie Diesel, so Hermle.

Südkorea: Klotzen statt kleckern

Südkorea, ein enger wirtschaftlicher Partner Hessens, hat mit Wasserstoff Großes vor. H2Korea, eine von Staat und Wirtschaft betriebene Dachorganisation, will Südkorea zum Führungsland der globalen Wasserstoffindustrie machen und die weltweite Verbreitung von entsprechenden Technologien voranbringen. „Bis 2050 entstehen fünf große regionale Zentren für Wasserstofferzeugung, Transport und Nutzung“, sagt Nak-Hyun Kwon, General Director bei H2Korea.

Zahlreiche Großkonzerne – die SK Group, Hyundai, der Stahlriese Posco – investieren bereits Milliarden in die koreanische Wasserstoffwirtschaft. Auch in Hessen sind viele südkoreanische Unternehmen mit ihrer hohen Kompetenz im Bereich Wasserstoff aktiv. Im Juni 2022 luden Materials Valley und die offizielle Investitionsförderungsagentur der koreanischen Regierung KOTRA zu einem Wasserstoff Webinar, auf dem Unternehmen und Forschungsinstitute beider Seiten Produkte und Innovationen vorstellten.

Bis 2040 sollen über sechs Millionen Brennstoffzellenfahrzeuge auf Südkoreas Straßen unterwegs sein, Wasserstoff soll künftig Schiffe, Großmaschinen, Drohnen und Flugzeuge antreiben. Das Land investiert massiv in den Ausbau von Pipelines, LNG-Terminals und Tankstellen und die Erarbeitung und Etablierung von technischen Standards. „Es ist absolut erforderlich, sich die strategische Ausrichtung Südkoreas zu Wasserstoff anzuschauen“, betont Szabó vom Technologieland Hessen, „um davon zu lernen und für unseren Standort interessante Aspekte abzuleiten.“

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Die Online-Veranstaltungsreihe „Materials to RePowerEU“ von Materials Valley und dem Technologieland Hessen beleuchtet zentrale Fragen für eine klimaverträgliche Energieversorgung in Europa: Welche Materialinnovationen, neuen Technologien und Fortschritte bei Fertigung, Betrieb, Transport und Nutzung braucht ein RePowering von Deutschland und der EU? Wo auf dem Weg stehen derzeit Forschung und Industrie?

Beim nächsten Termin der Veranstaltungsreihe am 23. Mai 2023 steht das Thema Wasserstoff für Industrie und Wärme im Mittelpunkt. 

Weitere Infos und Anmeldung

Die Abschlussveranstaltung findet am 14. Juli im Congresspark Hanau statt.

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