Elektrobiotechnologie: Neue Produktionsmethode für Chemikalien
Kohlendioxid (CO2) hat als Treibhausgas einen schlechten Ruf. Um die Klimaziele zu erreichen, reicht es nach Ansicht von Experten bei weitem nicht aus, den Ausstoß des Klimagases zu reduzieren. Ein Teil muss dauerhaft gebunden werden. Ein großes Potenzial liegt daher in der stofflichen Nutzung von CO2 als Rohstoff, denn der darin enthaltene Kohlenstoff ist ein wichtiger Grundstoff für die Industrie. Nachhaltige und innovative Wege der CO2-Nutzung könnten also das Klima entlasten und gleichzeitig der Industrie nutzen.
Eine vielversprechende Technologie, um zu Klimazielen und zur Energiewende beizutragen, ist daher die Mikrobielle Elektrosynthese (MES). Dabei wird eine wässrige Nährlösung mit Mikroorganismen unter Zufuhr von Kohlenstoff mit Strom versorgt. Die Mikroorganismen nutzen dann Kohlendioxid und Strom, um wertvolle organische Verbindungen wie Ethanol oder Acetat herzustellen. Was genau bei der MES passiert und vor allem welcher biologische Prozess ihr zugrunde liegt, konnten Forscherinnen und Forscher des Leibniz-Instituts für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie (Leibniz-HKI) nun experimentell nachweisen.
Mikroorganismen nutzen Wasserstoff zur Biosynthese
Die Forschenden konnten zeigen, dass Bakterien die durch elektrischen Strom zugeführten Elektronen nicht direkt aufnehmen, sondern stattdessen den dabei entstehenden Wasserstoff nutzen. „Bisher hat noch niemand den Wasserstoff direkt im System gemessen“, erklärt Santiago Boto, Erstautor der Studie. „Mit unserem Design konnten wir mehrere Belege dafür sammeln, dass die Bakterien den Wasserstoff nutzen.“
Im Rahmen der Studie hatte Boto einen MES-Reaktor konstruiert, der es ermöglichte, wichtige Prozessparameter wie den Stromfluss, den an der Elektrode gebildeten Wasserstoff und den aus der Flüssigkeit entweichenden Wasserstoff mithilfe von Mikrosensoren zu kontrollieren und zu messen. Eine Reinkultur des Bakteriums Clostridium ljungdahlii wurde in verschiedenen Konzentrationen eingesetzt.
Bakterien produzieren mehr Chemikalien als gedacht
Eine hohe Aktivität der Bakterien zeigte sich nur dann, wenn „der Wasserstoff aus der Elektrode für die frei schwimmenden Bakterien frei verfügbar war“, wie die Forschenden im Fachjournal Green Chemistry berichten. Bei seinen Untersuchungen stellte das Team zudem fest, dass sich mit dieser Methode deutlich mehr wertvolle Chemikalien herstellen lassen als bisher angenommen. Nach der Optimierung des Verfahrens wurden nach Angaben der Forschenden „die bisher höchsten Acetatausbeuten aus einer bakteriellen Reinkultur“ erzielt. Dabei seien auch Aminoverbindungen entstanden, die die Bakterien normalerweise nicht produzieren, und bisher ebenfalls nicht beschriebene Reaktionen zwischen Nährmedium und Kathode beobachtet worden, die den Syntheseprozess offenbar beschleunigen.
Eventuell neue Produktionsmethode für Chemikalien
„Aminoverbindungen sind für die chemische Industrie sehr interessant, die von uns verwendeten Bakterien werden außerdem bereits industriell verwendet. Wir haben damit vielleicht eine neue Produktionsmethode für solche Chemikalien entdeckt“, so Boto. Mit ihrer Studie liefern die Forschenden also erstmals den Beweis, dass Mikroorganismen Wasserstoff für ihre Biosynthese nutzen. In einem nächsten Schritt soll der Prozess weiter analysiert und optimiert werden.