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01.12.2023

GLOWACON 2023 ebnet Weg für internationales Konsortium zur effektiven Gesundheitsüberwachung

Spurensuche im Abwasser – ein wichtiger Beitrag zur öffentlichen Gesundheit

Nachbericht zur GLOWACON-Konferenz: Globales Konsortium für Abwasser- und Umweltüberwachung im öffentlichen Gesundheitswesen soll Anfang 2024 starten. 

© Europäische Kommission

Infektionsherde identifizieren, bevor Krankheiten zu Epidemien werden – das kann die Überwachung von Abwässern leisten. Ein entscheidender Schritt auf diesem Weg ist der Aufbau eines internationalen Konsortiums, um ein globales Pandemie-Frühwarnsystem auf Basis der Abwasserüberwachung voranzubringen. Dafür kamen rund 300 Akteure aus Forschung, Wirtschaft und Politik bei der internationalen Global Wastewater Survalliance System for Public Health Conference (GLOWACON) 2023 zusammen. Sie arbeiten daran, Technologien zur Abwasser- und Umweltüberwachung weltweit im öffentlichen Gesundheitswesen zu etablieren.

Rund 300 Teilnehmende aus der ganzen Welt trafen sich im Foyer des DECHEMA-Gebäudes auf der Theodor-Heuss-Allee in Frankfurt am Main. Dort tauschten sie sich intensiv über die konkreten Maßnahmen bei der Überwachung von Abwasser und Umwelt aus. Polio, Influenza A und B sowie Covid19 sind nur einige der Erreger, die man durch Analysen von Abwässern feststellen und so frühzeitig Infektionsrisiken identifizieren kann. Die GLOWACON-Konferenz vom 15. bis 17. November 2023 unter dem Thema „Towards the establishment of a global consortium for wastewater and environmental surveillance for public health“ brachte Experten und Expertinnen im Bereich Epidemieüberwachung aus Wissenschaft, Politik und Wirtschaft zusammen.

Gastgeber der Konferenz war die Hessen Trade and Invest GmbH im Auftrag des Hessischen Wirtschaftsministeriums. Veranstalter die Behörde für Krisenvorsorge und -reaktion bei gesundheitlichen Notlagen der europäischen Kommission (HERA), das Joint Research Center der EU- Kommission, das Bundesministerium für Gesundheit und die Bill & Melinda Gates Foundation. Die Vision: der Aufbau eines multisektoriellen internationalen Konsortiums aus Wissenschaft, Unternehmen, Politik und NGOs. Das Technologieland Hessen hat schon frühzeitig einen Beitrag zu dieser Entwicklung geleistet und war bereits im Jahr 2021 Gastgeber der Konferenz „Wastewater-based Epidemiology – Polio, Pest und Pandemie“. So wurde Hessen auch prädestinierter Veranstaltungsort für die GLOWACON 2023.

Drei Tage rund um Erreger im Abwasser

Die Konferenz startete am 15. November mit einem Treffen hochrangige Vertreter internationaler Organisationen. Die Weltgesundheitsorganisation, Bill & Melinda Gates Foundation, Weltbank, die EU-Kommission sowie die International Air Transport Association trafen sich zum Auftakt am Frankfurter Flughafen. Mitarbeitende aus den Abteilungen Internationale Angelegenheiten und Technologie & Innovation der Hessen Trade & Invest GmbH organisierten das VIP-Treffen gemeinsam mit dem Fachgebiet Wasser und Umweltbiologie an der TU Darmstadt, geleitet von Prof. Susanne Lackner.

Warum ein Treffen am Flughafen? Ganz einfach: Flughäfen sind die Dreh- und Angelpunkte für internationale Reisen, wodurch schnelle und weitreichende Verbindungen zwischen Ländern ermöglicht werden. Leider besteht dadurch auch die Gefahr, dass sich Infektionen und Krankheiten rasend schnell über große Entfernungen verbreiten können, wenn infizierte Personen reisen. Aus diesem Grund gibt es bereits seit einigen Jahren von Bund und Land geförderte Projekte des Lehrstuhls von Prof. Lackner mit dem Fokus auf abwasserbasiertem Sars-Cov2 Monitoring.

Die Überwachung solcher Luftfahrt-Drehkreuze, wie Frankfurt Airport, ist von großer Bedeutung. Denn Menschen aus der ganzen Welt landen hier und können unbemerkt Infektionen einschleppen und diese schon vor Auftreten von Symptomen verbreiten. Hier spielen Abwasserbehandlungsanlagen eine entscheidende Rolle bei der frühzeitigen Erkennung von Infektionsausbrüchen. Ein Monitoring des Abwassers erhöht die Wahrscheinlichkeit signifikant, frühzeitig Infektionsherde zu identifizieren und gezielte Maßnahmen einzuleiten.

Am zweiten Tag fand die offizielle Eröffnung statt, unter anderem mit einer Videobotschaft des Bundesgesundheitsministers Karl Lauterbach, des Hessischen Ministers für Soziales und Integration Kai Klose und dem Generaldirektor der Europäischen Kommission und Leiter der gemeinsamen Forschungsstelle, Stephen Quest. Darüber hinaus sprachen Repräsentanten des World Water Councils, der Bill & Melinda Gates Foundation, des Robert-Koch-Instituts und viele mehr.

Es folgten zwei wegweisende Panels am Nachmittag: Ersteres beschäftigte sich mit den internationalen Herausforderungen bei der Überwachung des Abwassers und ermöglichte Vergleiche zwischen Industrie- sowie Entwicklungs- und Schwellenländern. Im zweiten Panel präsentierten verschiedene Speaker ihre Forschungsprojekte zur Analyse von Abwässern an Flughäfen und in Flugzeugen.

Am letzten Konferenztag thematisierten parallele Sessions unter anderem die Etablierung eines Konsortiums und die damit einhergehenden Herausforderungen. Über alle Konferenztage hinweg lag ein Fokus auf den Herausforderungen der Abwasserüberwachung im Besonderen in Schwellen- und Entwicklungsländern.

Die Begleitausstellung im Foyer zeigte 32 verschiedene Projekte im Bereich der Abwasserüberwachung aus der ganzen Welt. Darüber hinaus waren die Firmen Thermofisher Scientific, HACH, BioRad Laboratories, Verily, Promega, Ginko Bioworks, Aplex BIO, RESISTOMAP vor Ort, boten den Teilnehmenden ihre Expertise an und tauschten sich aus. Großen Zuspruch fand zudem das an der TU Darmstadt entwickelte mobile Labor. Die in einem Kleintransporter installierten Labor- und Analysegeräte ermöglichen nicht nur eine schnelle Probenentnahme, direkt an der jeweiligen Quelle vor Ort, sondern auch die vollständige Auswertung der Proben.

Frühzeitige Virenerkennung durch Abwasserüberwachung

Auf der Konferenz wurde deutlich: Obwohl die Abwasserüberwachung vereinzelt bereits seit vielen Jahren für die Erkennung des Polio-Virus verwendet wird, erzeugte sie erst mit der Covid19-Pandemie mehr Interesse. Viele Forschungsprojekte fokussierten sich darauf, das Virus im Abwasser nachzuweisen, Infektionsherde schnell zu erkennen und so frühzeitig politische Entscheidungen treffen zu können.

Die Überwachung von Abwasser auf SARS-CoV-2 ist eine verlässliche und kostengünstige Methode, um Infektionsverläufe sowie das Auftreten von Virenvarianten frühzeitig zu erkennen.

Jetzt, wo die Erfahrungen aus der Pandemie noch frisch sind, müsse man die Technologie weiter ausweiten und sie auch zur Erkennung anderer Viren konsequent nutzen, lautete eine der wichtigsten Erkenntnisse der Konferenz. Denn die Abwasserüberwachung trägt erheblich zur öffentlichen Gesundheit bei, indem sie Daten von jeder Einwohnerin und jedem Einwohner liefert, dabei nicht-invasiv und anonym ist, also nicht in das Leben der Menschen eingreift, und so die frühzeitige Erkennung von Ausbrüchen ermöglicht. Politikerinnen und Politiker können dank diesem kosteneffizienten Verfahren rechtzeitig Maßnahmen ergreifen, um mögliche Epidemien oder gar Pandemien einzudämmen.

Abwasserüberwachung an Schlüsselstandorten

Besonders die Überwachung an Flughäfen spielt eine wichtige Rolle, wenn es um die globale Verbreitung von Erregern geht. Viele Sprecherinnen und Sprecher von Forschungseinrichtungen und Universitäten aus der ganzen Welt stellten ihre Projekte aus der Zeit der Coronapandemie vor. Dazu zählten Überwachungen an großen Flughäfen, aber auch Analysen des Abwassers einzelner Flugzeuge aus Ländern mit zahlreichen Covid19-Infektionen.

Die Ergebnisse waren meist eindeutig: Das Virus konnte im Abwasser von Flugzeugen nachgewiesen werden, selbst wenn die Coronatests der Reisenden zu diesem Zeitpunkt negativ waren. Die positiven Tests und weitere Symptome der verreisten Personen zeigten sich in der Regel einige Tage später. Die Projekte verdeutlichten die Bedeutung der Abwasserbeprobung bei der Bekämpfung von Pandemien. Darüber hinaus müssen alle Akteure an einem Strang ziehen, um den Aufbau einer effektiven Infrastruktur voranzutreiben.

Herausforderung Datenschutz

Die Pandemie verdeutlichte das immense Potenzial, das in der internationalen Abwasserüberwachung liegt. Es stellt sich auch die Frage, wie man mit den Befunden umgeht, vor allem, wenn es sich um besonders ansteckende und letale Erreger handelt. Die Befunde könnten schnell für Panik in der Gesellschaft sorgen, können in der Regel aber nicht auf eine Person zurückgeführt werden. Datenschutz und angemessener Umgang mit den Analyseergebnissen sind aber nicht die einzigen Herausforderungen, mit denen sich die Konferenz beschäftigte und die das Konsortium angehen will.

Chancen und Schwierigkeiten in Schwellen- und Entwicklungsländern

Vor allem in Schwellen- und Entwicklungsländern könnte die Analyse von Abwässern ein entscheidender Faktor bei der öffentlichen Gesundheit werden. Die Technologien sind häufig bereits im Einsatz, um Polio-Erreger im Abwasser zu finden und den Krankheitsausbruch einzudämmen. Doch vorab besteht in Schwellen- und Entwicklungsländern vor allem intensiver Bedarf an Schulungen und dem Ausbau der Abwasserinfrastruktur. Oft ist sie nicht ausgereift genug, um flächendeckend Proben zu entnehmen, besonders in großen und bevölkerungsreichen Ländern.

Darüber hinaus mangelt es zurzeit noch an digitalen Lösungen für die Analyse und Ergebnisübermittlung. Eine große Hürde ist auch die Finanzierung: Selbst wenn die Regierungen die Notwendigkeit der Abwasserüberwachung erkennen, fehlt es an finanziellen Mitteln, sie kontinuierlich auszuführen. Das Konsortium will daran arbeiten, zuverlässige Finanzierungen sicherzustellen.

Aufbau eines internationalen Netzwerks

Die GLOWACON-Konferenz brachte unterschiedlichsten Perspektiven auf die Epidemieforschung zusammen, um die Dringlichkeit der Abwasserüberwachung für die öffentliche Gesundheit zu betonen und ein internationales Konsortium für die Etablierung der Infrastruktur ins Leben zu rufen. Der offizielle Start des Konsortiums ist für Anfang 2024 geplant, das nächste Treffen wird auf dem World Water Forum vom 18. bis 24. Mai 2024 in Indonesien sein.

Spätestens seit der GLOWACON ist klar: Multisektorielle und internationale Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft, Politik und Wirtschaft sind entscheidend, um die Abwasserüberwachung als wirksames Instrument im Kampf gegen Gesundheitsgefahren zu etablieren – egal, wo auf der Welt.

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