Transfer von der Quantenphysik zur Wirtschaft
Die 17 nachhaltigen Entwicklungsziele der Vereinten Nationen und die damit verbundenen „ESG-Kriterien“ für die Beurteilung eines Unternehmens in Bezug auf „Environment-Social-Governance“ haben Standards für die Umsetzung des Themas Nachhaltigkeit im Wirtschaftsleben gesetzt. Soll eine an Nachhaltigkeit orientierte Transformation der europäischen Wirtschaft und deren Finanzierung gelingen, bedarf es der Überzeugung, dass die Unternehmen Nachhaltigkeitsanforderungen verlässlich erfüllen. Das geplante Forschungsvorhaben überträgt eine in der Quantenphysik etablierte Testmethodik, die sogenannten Bell-Tests, um Kausalzusammenhänge in Finanzmarktdaten zu ermitteln.
In der Physik lieferte die Methode bereits vielbeachtete Resultate und hat 2022 zum Nobelpreis für die Quantenforscher Aspect, Clauser und Zeilinger geführt. Die Anwendbarkeit – so lassen es die bisherigen Forschungsarbeiten von Prof. Gallus erwarten – kann erweitert werden, um auch außerhalb der Physik Erkenntnisse über komplexe Prozesse mit unbekannten Wirkungsmechanismen zu gewinnen. Im vorliegenden Fall soll dieser innovative methodische Ansatz genutzt werden, um zu untersuchen, welche Daten im kausalen Zusammenhang zu einer nachhaltigen Kapitalverwendung durch Unternehmen stehen, die für Investoren glaubhaft ist.
Am Anfang des Projekts sind eine Analyse und Formalisierung von Hypothesen zu Indikatoren für die nachhaltige Verwendung von Unternehmenskapital vorgesehen. Diese sollen als „kausale Netzwerke“ in computertauglichen mathematischen Modellen dargestellt werden, um dann per „Bell-Tests“ auf der Basis empirisch erhobener Finanzmarkt- und Unternehmensdaten mit Verfahren der Künstlichen Intelligenz überprüft werden zu können. Den Abschluss des Vorhabens soll die Diskussion der aufbereiteten Ergebnisse mit Fachleuten aus Wissenschaft und Finanzbranche bilden.
Prof. Gallus erwartet von dieser völlig neuartigen Herangehensweise im Erfolgsfall auch wertvolle Impulse für das Land Hessen in seiner Führungsposition auf dem Finanzmarkt. In den außerhalb der Quantenphysik bislang nahezu unerforschten „Superkorrelationen“ sieht er ein hohes Potenzial für Einsichten in kausale Zusammenhänge, die mit herkömmlichen statistischen Methoden nicht zu erreichen sind. Für das Projekt, das auf zwei Jahre angelegt ist und im März 2024 starten soll, steht ein Förderbetrag von rund 300.000 Euro zur Verfügung.