Edelmetalle kritisch sehen | Nachbericht zur „Beyond Elements“-Veranstaltung am 11. September 2024
Für Edelmetalle gilt wie für andere strategisch wichtige Elemente auch: Sie sind in der Erdkruste zwar durchaus weiträumig verteilt, ihr Abbau lohnt aber nur in bestimmten, hochkonzentrierten Lagerstätten. Nach Angaben der Deutschen Rohstoffagentur DERA gehören zu den Lieferländern an erster Stelle China, Südafrika und Russland, für Silber vor allem Mexiko und Peru, für die Platingruppenmetalle (PGM) auch Simbabwe.
Die DERA weist Edelmetallen daher ein „gewichtetes Länderrisiko“ zu. „Über Gold und Silber verfügen global gesehen relativ viele Abbauländer, bei den Platingruppenmetallen ist das Länderrisiko deutlich größer“, betont Dr. Britta Bookhagen, Arbeitsbereichsleiterin Recyclingrohstoffe bei der DERA. Silber bildet mit rund 25.000 Tonnen globaler Produktionsmenge pro Jahr das „Massenprodukt“ unter den Edelmetallen, gefolgt von Gold mit etwa 3.000 Tonnen. PGM, zu denen neben Platin u.a. auch Palladium, Iridium, Rhodium und Ruthenium gehören, haben je nach Element eine globale Fördermenge von nur acht bis 160 Tonnen. Viele Zahlen sind allerdings Schätzwerte. „Es gibt sehr viele Player auf dem globalen Markt und nur vergleichbar wenig verlässliche Daten“, sagt Bookhagen.
Wo Hightech draufsteht, sind Edelmetalle drin
Sicher ist: Edelmetalle sind für Deutschland und die EU strategisch wichtige Rohstoffe - heute und auch in Zukunft. Vor allem PGM sind beispielsweise unverzichtbar für die deutsche Energiewende. Das Fraunhofer ISE prognostiziert für die Zeit nach 2030 einen Nachfrage-Peak für Silber, um die Ausbauziele für die Photovoltaik zu erreichen. Platingruppenmetalle sind wichtige Bestandteile von Katalysatoren für die Wasserstoffwirtschaft.
Wie beurteilt man die Kritikalität von Edelmetallen aus Sicht der EU? Entscheidend dafür ist das Verhältnis von wirtschaftlicher Bedeutung – also dem industriellen Nutzen – und dem Versorgungsrisiko. Die Kritikalität ist besonders hoch, wenn die Metalle aus politisch instabilen Regionen oder aus Ländern mit Handelsbeschränkungen stammen. „Sie kann aktiv verringert werden, indem die Industrie bestimmte Metalle substituiert oder die EU eigene Recyclingstrukturen aufbaut“, sagt Dr. Luis Tercero Espinoza, Leiter des Geschäftsfelds Rohstoffe beim Fraunhofer ISI in Karlsruhe.
In Edelmetallen spiegeln sich die Entwicklungen der Welt. Je größer die Krisen, umso mehr Geld wird in Gold und Silber investiert. Auch die Preise für PGM als strategisch wichtige Industriemetalle reagieren empfindlich auf viele Faktoren: geopolitische Veränderungen, Naturkatastrophen, neue Gesetze oder technologische Entwicklungssprünge. Beispielsweise explodierten 2019 die Preise für Rhodium und Palladium, als in China schärfere Emissionsstandards für Pkw Gesetz wurden, die nur mit verbesserten Abgaskatalysatoren zu erfüllen waren. Die Kosten für das Katalysatormetall Iridium liegen seit 2021 um den Faktor drei bis vier höher als früher. „Darin spiegelte sich der beginnende Hype um die Wasserstoffwirtschaft, zugleich hatte der wichtigste Lieferant in Südafrika damals Produktionsprobleme“, sagt Marc Löffert, Mitglied im Handelsteam der Heraeus Precious Metals GmbH in Hanau.
Weniger ist mehr
Hohe Rohstoffpreise machen Entwickler erfinderisch. Schon immer haben Hersteller aus Kostengründen nach Wegen gesucht, möglichst wenig an teuren Edelmetallen in ihren Produkten einzusetzen. Dieser Druck ist mittlerweile stark gestiegen, da entscheidende Technologien vor allem auf Platingruppenmetalle angewiesen sind. Die Lösung liegt auf der Hand: Ließen sich die die Elemente im Gebrauch minimieren oder gar ersetzen, wären die Abhängigkeiten von kritischen Lieferländern verringert, die Preisschraube gelockert und technologische Innovationen besser planbar.
Einfach ist das nicht. „Keine anderen chemischen Elemente arbeiten in einem so breiten technischen Prozessfenster so hocheffizient und langlebig wie Edelmetalle“, sagt Raoul Klingmann, Global Technology Director bei der Umicore AG in Hanau. Daher reagieren Hersteller mit Ausweichbewegungen. Für den Auto-Kat wurden mittlerweile Flexmetal-Systeme entwickelt, bei denen das Stoffverhältnis von Platin und Palladium – abhängig vom jeweiligen Rohstoffpreis – flexibel sein kann, was den Preisdruck senkt.
Wichtig sind Ausweichbewegungen vor allem auch für die Wasserstoffwirtschaft. Platingruppenmetalle katalysieren nahezu die gesamte Wertschöpfungskette – die Herstellung von Wasserstoff und Wasserstoffträgern, die Produktion von Strom in der Brennstoffzelle, den Einsatz von Wasserstoff im Stahlwerk oder in Motoren. Hersteller arbeiten daran, die notwendige Edelmetallmenge zu reduzieren. Das gelingt, indem das Metall auf spezielle Träger aufgebracht, mit anderen, ebenfalls aktiven Elementen gemischt oder mit durch weniger kritische Elemente ersetzt wird. „Beispielsweise kann das besonders seltene Iridium teilweise durch Ruthenium ersetzt werden“, sagt Stefan Oehmen, Leiter der Geschäftsentwicklung Wasserstoffwirtschaft bei der Heraeus Precious Metals GmbH.
Ein Team an der TU Darmstadt arbeitet an Katalysatoren für PEM-Brennstoffzellen, bei denen Platin durch Eisen-N-C-Katalysatoren ausgetauscht ist. Das platinfreie Material besteht aus Eisen-Stickstoff-Komplexen, die in Kohlenstoff-Inseln von nur wenigen Nanometern Durchmesser eingebettet sind und die den Sauerstoff an der Kathode mit hoher Effektivität umsetzen. „Entscheidend für die Effizienz ist die Aufreinigung des Materials“, betont Professor Ulrike Kramm, Projektleiterin der Fachgruppe Katalysatoren und Elektrokatalysatoren an der TU Darmstadt. Damit lassen sich unerwünschte Nebeneffekte, beispielsweise das Herauslösen von Eisen oder die Bildung von Wasserstoffperoxid, unterdrücken.
Wer wirft schon Gold weg?
Da Edelmetalle rar und teuer sind, lohnt Recycling im Prinzip bei jedem Gramm. Dennoch weiß derzeit niemand, welche Mengen wo und von wem verwertet werden. Existierende Recyclingquoten sind nur grobe Abschätzungen – weltweit liegen sie laut DERA etwa zwischen 20 und 30 Prozent. „Auch in Deutschland ist noch viel Luft nach oben“, urteilt York Tetzlaff, Geschäftsführer der Fachvereinigung Edelmetalle in Pforzheim. Und das, obwohl die Kosten von Sekundärmetallen um ein Vielfaches niedriger liegen und metallurgische Prozesse zur Rückgewinnung von Metallen technisch ausgereift sind.
Gold oder Silber hat noch nie jemand weggeworfen. Daher existiert bei diesen Metallen eine Kreislaufwirtschaft schon deutlich länger als der eigentliche Begriff. Daher existiert bei diesen Metallen eine Kreislaufwirtschaft schon deutlich länger als der eigentliche Begriff. Allerdings diskutiert laut Tetzlaff die Branche international über eine Definition von Goldrecycling. Gehört dazu beispielsweise auch die Aufbereitung von industriell hergestelltem Schmuck aus arabischen Ländern, der über die Schweiz als Recyclingware deklariert nach Deutschland gelangt? Die Internationale Organisation für Normung ISO entwickelt mit ihren Partnern derzeit „Anforderungen an Recyclinggold“ – im besten Fall könnte dieses Konzept als Vorbild für alle Edelmetalle gelten, betont Tetzlaff.
Recycling: notwendig, aber mühsam
Jenseits von schweren Goldketten und wertvollen Uhren ist das Recycling von Edelmetallen komplex und technisch aufwändig. Die Metalle sind in den meisten technischen Produkten nur in winzigen Mengen verbaut. Zudem werden sie oft mit anderen Metallen legiert, mit Fremdmaterial vermischt oder sind schlicht schwer zugänglich: mit Plastik umhüllt, auf Oberflächen laminiert oder in Glas verpackt.
Das große Problem mit den kleinen Mengen zeigt sich insbesondere beim Silberrecycling aus Solarmodulen. Zwischen 2024 und 2030 wird sich deren Rücklaufmenge global gesehen schätzungsweise versechsfachen. „In einem Modul sind nur etwa 0,07 Prozent des Gewichts Silber“, sagt Dr. Jan Philipp Mai, Gründer der JPM Silicon GmbH in Braunschweig, „es liefert aber etwa die Hälfte der Rohstofferlöse.“ Silber fungiert im Modul als Metallkontakt auf der Solarfolie. JPM hat ein thermomechanisches Verfahren entwickelt, bei dem die Folie der Altmodule durch Erwärmen abgetragen und die Silberleiterbahnen mechanisch abgeschabt werden.
Noch rechnen sich solche Verfahren kaum, sagt Mai, denn die gesetzlichen Recyclingquoten lassen sich erfüllen, wenn nur die schweren Modulteile aus Glas und Aluminium verwertet werden. Möglicherweise ändert sich dieses Bild in einigen Jahren, wenn weltweit, vor allem auch in Asien, die Rücklaufmengen an PV-Modulen stark steigen und Altmodule zu einer zuverlässigen Rohstoffquelle werden.
Forschungsfeld für neue Kreisläufe
Edelmetallrecycling bleibt ein Feld für Innovationen: Die Brain Biotech AG in Zwingenberg hat 2024 eine Pilotanlage in Betrieb genommen, in der spezielle Bakterien aus aufbereiteten und fein vermahlenen Platinen das Gold herauslösen. Die Mikroorganismen bilden Cyanidkomplexe und extrahieren so das Element aus den festen Partikeln. Das „Bio-Gold“ wird danach gefiltert und mit Absorberharz aufkonzentriert.
Auch beim maschinellen Recycling ist noch viel zu tun. Das Fraunhofer IWKS widmet sich der Demontage und Verwertung von PEM-Brennstoffzellen und der Rückgewinnung von Platin aus den katalytisch beschichteten Kunststoffmembranen im Inneren der Zellen. Um an diese hauchdünnen Membranen zu gelangen, braucht es alle Regeln der Kunst: für Demontage, Zerkleinerung, Aufbereitung und chemische Löseprozesse, um Störstoffe zu entfernen. „Am Ende können wir 99 Prozent des Platins zurückgewinnen“, sagt Dr. Sven Grieger vom Fraunhofer Leistungszentrum-Wasserstoff Hessen . Allerdings gelingt das bisher nur im kleinen Maßstab und quasi nur in Handarbeit. Für hohe Stückzahlen und effiziente Prozesse müssten die Schritte automatisiert werden. Keine einfache Aufgabe, betont Grieger, denn die Produktvielfalt wächst täglich und Rückläufer sind bislang kaum zu standardisieren.
Mit ihrer Reihe „Beyond Elements“ richten die drei Veranstalter - Materials Valley e.V, EIT Raw Materials und Technologieland Hessen - den Blick auf eine der wichtigsten Fragen der Zeit: Wie sichern sich EU und Deutschland die Versorgung mit strategisch wichtigen Rohstoffen und stärken ihre Innovationskraft für kommende Technologien? Die nächste Veranstaltung der Reihe widmet sich der Stoffklasse PFAS: Diese sind zum einen ein potenzielles Risiko für Gesundheit und Umwelt und daher von Verboten bedroht, zum anderen essenziell für zahlreiche Industriezweige. Wie groß ist ihre Rolle und wie stark können wir uns von ihnen lösen? Das diskutieren wir in „Beyond Elements - PFAS in Membranen, Dichtungen und …?“ am 6. November ab 09 Uhr.
Anmeldung zur Veranstaltung am 06. November
Weitere Informationen zur Veranstaltungreihe Beyond Elements