Die Stärken zweier Welten vereinen
Biotechnologe Andrea Belluati leitet neue Emmy Noether-Gruppe
Die Arbeit der neuen Emmy Noether-Forschungsgruppe konzentriert sich auf die Schaffung von Hybridsystemen, die künstliche und lebende Zellen kombinieren: Künstliche Zellen, die aus Polymeren aufgebaut sind, sind besonders stabil und können so gestaltet werden, dass sie bestimmte Aufgaben wie die Abgabe von Medikamenten oder den Schutz von Enzymen übernehmen. Sie sind resistent gegen Umweltstress und können präzise gesteuert werden. Aber: Ihnen fehlt die metabolische Komplexität und Anpassungsfähigkeit lebender Zellen.
Lebende Zellen hingegen sind biologisch ungemein vielfältig und verfügen über Anpassungsfähigkeit, Stoffwechselnetzwerke und die Fähigkeit zur Interaktion mit natürlichen Systemen. Durch die Integration dieser Zellen in künstliche Zellen will Belluatis Gruppe die Stärken beider Systeme nutzen und kombinieren. Künstliche Zellen können so angepasst werden, dass sie sich an lebende Zellen anlagern oder von ihnen aufgenommen werden. So können die Wissenschaftler:innen zelluläre Funktionen verbessern oder die Zellumgebung auf neue Weise kontrollieren.
Dieser Ansatz könnte auf verschiedenen Feldern zur Anwendung kommen: bei wirksameren Systemen zur Verabreichung von Arzneimitteln, bei der Produktion nachhaltiger Biokraftstoffe und sogar bei neuen Formen der zellulären Energiegewinnung. „Das Ziel ist es, Systeme zu entwickeln, bei denen das Synthetische das Biologische ergänzt und die neue Fähigkeiten haben, die künstliche und natürliche Zellen für sich allein genommen nicht erwerben könnten“, erklärt Belluati.
Einbettung künstlicher Zellen in lebende Systeme
Das neue Projekt baut direkt auf Belluatis früheren Arbeiten in den Bereichen künstliche Zellen auf Polymerbasis und Verkapselung einzelner Zellen auf. Während seiner Doktoranden- und Postdoktorandenzeit konzentrierte er sich auf die Entwicklung stabiler Polymersomen – synthetische Vesikel, die bestimmte zelluläre Funktionen nachahmen – und untersuchte, wie diese Strukturen biologische Prozesse wie Enzymkaskaden und zelluläres Verhalten beeinflussen und verbessern können. Das aktuelle Projekt geht noch einen Schritt weiter, indem es künstliche Zellen und natürliche lebende Zellen zu symbiotischen Systemen zusammenführt. Anstatt nur zelluläre Funktionen nachzuahmen, will die neue Emmy Noether-Gruppe diese künstlichen Zellen nun in lebende Systeme einbetten. „Die Arbeit erweitert meine früheren Erkenntnisse über die Verkapselung von Einzelzellen und verfeinert sie zu einer Plattform, auf der echte Zellen und synthetische Einheiten dynamisch interagieren, was neue Wege für biotechnologische Anwendungen eröffnet“, sagt Belluati.
Die Mittel aus dem Emmy Noether-Programm belaufen sich auf rund 1,8 Millionen Euro und werden eine Promotions- und eine Postdoc-Stelle für sechs Jahre finanzieren. Außerdem wird damit die Anschaffung eines Forschungsgeräts ermöglicht, das komplexe 2D- und 3D-Zellexperimente mit Live-Zellbildgebung und Echtzeitzytometrie ermöglicht.
Über Andrea Belluati
Andrea Belluati kam im Jahr 2022 als Marie-Curie-Stipendiat an die TU Darmstadt. Im Jahr 2024 wurde er als Athene Young Investigator (AYI) an der TU Darmstadt ausgewählt. Das AYI-Programm unterstützt herausragende Forscher auf ihrem Karriereweg und gibt Nachwuchswissenschaftler:innen die Möglichkeit, sich durch die Leitung einer unabhängigen Nachwuchsgruppe für eine Universitätsprofessur zu qualifizieren. Seinen Master-Abschluss in „Industrieller Biotechnologie“ erwarb Belluati 2015 an der Universität Turin und promovierte an der Universität Basel, gefolgt von Postdoc-Stellen in Prag und Glasgow. Im Jahr 2021 wurde er Mitglied des Forschungsteams von Professor Nico Bruns an der University of Strathclyde, Glasgow, und folgte ihm, als Bruns sein Team 2022 an die TU Darmstadt verlegte.
Belluati ist assoziierter PI am Zentrum für Synthetische Biologie der TU Darmstadt und beteiligt sich als assoziierter PI an dem geplanten Cluster Com2Life. Com2Life ist eines der Projekte, mit denen sich die TU und ihre Partneruniversitäten derzeit um eine Förderung in der Linie Exzellenzcluster im Rahmen der Exzellenzstrategie des Bundes und der Länder bewerben.