Die Spannung steigt | Nachbericht zur „Beyond Elements“-Veranstaltung am 04. Dezember 2024
Die letzten Monate des Jahres waren für die Energie- und Batteriebranche eine aufgeladene Zeit: Die EU-Kommission kündigte Fördermittel von einer Milliarde Euro an, insbesondere für Projekte zur Herstellung innovativer Batteriezellen für Elektrofahrzeuge oder neuer Fertigungstechniken, -verfahren und -technologien. Damit, so die Kommission, werden Investitionen mobilisiert, die „für den Erfolg Europas bei der Energiewende und seiner Wettbewerbsfähigkeit von entscheidender Bedeutung“ sind.
Fast zeitgleich verabschiedete das Bundeskabinett die Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie, die an mehreren Stellen die Batteriebranche tangiert: Die NKWS sieht vor, eine flächendeckende Recyclingstruktur für Altakkus zu etablieren. Sie will das Instrument der erweiterten Herstellerverantwortung für Altbatterien stärken. Unter dem „Dachkonzept Batterieforschung“ legt sie einen Schwerpunkt auf Prozessierung und Produktion von Materialien, -komponenten und -zellen und auf die Digitalisierung von Stoffkreisläufen. Rohstoffe, Komponenten und ganze Speichersysteme sollen bereits im Design auf eine spätere (Wieder-)Verwendungen hin entworfen sowie digital nachverfolg- und steuerbar werden.
Batterien „not made in Germany“
Fettere Schlagzeilen als diese politischen Programme verursachten allerdings einige große Player der Branche: Das Joint Venture Automotice Cells Company (ACC) pausiert die Bauarbeiten für ein Batteriezell-Werk in Kaiserslautern, der schwedische Batteriezellhersteller Northvolt steckt in finanziellen Schwierigkeiten, womit die Pläne für eine Batteriefabrik in Heide ins Wanken geraten sind, die VW-Tochter PowerCo halbiert die Kapazität seiner Zellfertigung in Salzgitter, der chinesische Hersteller SVOLT hat den Bau von Fabriken im Saarland abgesagt.
Eigentlich müssten Batteriehersteller gerade jetzt voll aufdrehen. „Ohne Zweifel brauchen wir in Deutschland und der EU ein eigenes Ökosystem Batterie“, ist Michael Krausa, Geschäftsführer des Kompetenznetzwerks Lithium-Ionen-Batterien e. V. (KliB), überzeugt. Denn Stromspeicher sind Enabler: Fahrzeugbau, Maschinen- und Anlagenbau, Kommunikationstechnologien, Chemieindustrie – sie alle benötigen in großen Mengen leistungsfähige, angepasste Speichersysteme aus verlässlichen Lieferketten und auf Basis einer umweltverträglichen Rohstoffgewinnung. Ohne Batterien werden Energiewende und wirtschaftliche Transformation nicht gelingen.
Dabei wäre jedes Quäntchen Autarkie hilfreich. „Derzeit aber ist die EU bei nahezu allen Phasen der Wertschöpfungskette von einer Eigenversorgung meilenweit entfernt“, sagt Fabrice Stassin, Secretary General der Batteries European Partnership Association (BEPA). Die Zellproduktion stockt, die Absatzmärkte schwächeln, das Batterierecycling kommt über wenige Testanlagen kaum hinaus. „Die Situation ist fragil, nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen EU-Ländern“.
Wie viel darf Autarkie kosten?
Wo konkret liegen die Hürden für lokalisierte Wertschöpfungskette? Jannes Möhlenkamp, Unternehmensberater bei der P3 automotive GmbH, sieht eine ganze Reihe von Hindernissen. „In erster Linie sind das die schwachen und unspezifischen Incentivierungsstrukturen für die Unternehmen.“ Die politischen Regularien in der EU sind laut Möhlenkamp weder attraktiv noch präzise genug, damit Firmen darauf ihren Business Case gründen können. Dazu kommen hohe Energiekosten und unterschiedliche Vorschriften innerhalb der Mitgliedsstaaten. Hemmend ist auch der mal mehr, mal weniger gereifte Industrialisierungsgrad innerhalb der Kette. Europäische Unternehmen haben durchaus Stärken in der Komponentenfertigung und beim Batteriemanagement, sind aber bislang kaum aktiv bei Rohstoffgewinnung und -verarbeitung.
Und nicht zuletzt: Die Konkurrenz aus den USA und China ist beinhart. Viele Wettbewerber außerhalb der EU sind erfahrene Batteriehersteller mit global gespannten und gefestigten Liefer- und Kundenstrukturen. Es braucht enorme finanzielle Schlagkraft, um im Batteriemarkt Fuß zu fassen, also deutlich mehr Mittel als bisher. Ein Vergleich macht es deutlich. Der chinesische Batterieriese CATL verfügte laut Krausa im Jahr 2022 über einen Forschungsetat von 2,3 Milliarden Euro, die gesamte BASF mit ihrem weit größeren Produktportfolio nur über 2,1 Milliarden.
„Also müssen wir in der EU entscheiden, was uns Unabhängigkeit wert ist“, konstatiert Krausa von KLiB. Und es ist eine Frage einer überzeugenden Gesamtstrategie, die Politik, Industrie und Wissenschaft gemeinsam tragen und verantworten. Welche Bedeutung die neue EU-Kommission und die künftige Bundesregierung dem Ökosystem Batterie einräumen werden, bleibt abzuwarten.
Japan hat die Frage für sich entschieden. Japanische Firmen investieren nach Angaben der Germany Trade & Invest GmbH (GTAI) bis 2030 etwa sieben Milliarden US-Dollar in neue Fabriken insbesondere für die Herstellung günstiger, aber leistungsfähiger Feststoffbatterien. „Das japanische Wirtschaftsministerium gewährt dabei großzügige Zuschüsse von 33 bis 50 Prozent der Investitionskosten“, betont Edda Wolf, Bereichsleiterin Rohstoffe bei GTAI. Eine staatliche Agentur – die Japanische Organisation für Metall- und Energiesicherheit - unterstützt Firmen zudem finanziell bei der Erschließung neuer Vorkommen für Batteriemetalle. Warum nicht die Stärken von Japan und Europa verzahnen? „Strategische Kooperationen zwischen japanischen und europäischen Firmen könnten die Front gegen die Übermacht chinesischer Hersteller schließen“, glaubt Wolf.
Lithium im eigenen Land
Autarkie beginnt mit der Rohstoffgewinnung. Und hier richten sich viele Blicke auf den Oberrheingraben, der in zweierlei Hinsicht für die Energiebranche reiche Ernte verspricht. Der Graben ist eine 300 Kilometer lange Tiefebene zwischen Basel und Frankfurt/Main und schon länger für sein Geothermie-Potenzial bekannt. „Das tiefe, heiße Grundwasser enthält aber auch über 180 Milligramm Lithium pro Liter“, sagt Dr. Nazim Aliyev, Director Public Affairs beim Unternehmen Vulcan Energy Ressources. Vulcan hat sich Lizenzgebiete gesichert und will aus der zwei bis vier Kilometer tief liegenden Sole neben Wärme auch das Batteriemetall Lithium gewinnen.
Der geplante Direct Lithium Extraction-Prozess (DLE) umfasst mehrere Standorte und Verfahrensschritte: Am Standort der Bohrung wird der heißen Sole zunächst Wärme und danach über feste Adsorbenzien das Lithiumsalz entzogen. Die Wärme gelangt über Fernleitungen zum Verbraucher oder wird für Industrieprozesse genutzt. Aus dem gewonnenen Lithiumchlorid entsteht durch Chlor-Alkali-Elektrolyse batteriefähiges Lithiumhydroxidmonohydrat. Eine erste Elektrolyse-Pilotanlage ist im Industriepark Hoechst geplant. „Durch die Kopplung von Wärme- und Metallgewinnung steigt die Wirtschaftlichkeit“, betont Aliyev. Vulcan kalkuliert mit Produktionskosten von etwa 4000 Dollar pro Tonne Lithium und ist laut Aliyev damit um ein Vielfaches günstiger als die Konkurrenz.
Auch der Chemiepark Bitterfeld-Wolfen hat neuerdings Lithium im Portfolio. Die AMG Lithium GmbH, Tochter eines niederländischen Metallurgiekonzerns, hat im Herbst in Bitterfeld eine Raffinerie für Lithiumhydroxid in Betrieb genommen. Die Lieferkette umspannt allerdings noch die halbe Welt: Das Erz stammt aus einer Mine der AMG in Brasilien, wird in China aufgearbeitet und in Bitterfeld in batteriefähiges Hydroxid raffiniert. Die Kapazität liegt bei zunächst 20.000 Tonnen jährlich, laut AMG reicht diese Menge für etwa 500.000 Fahrzeugbatterien.
Funktionsstörungen beim Recycling
Eigentlich sind die notwendigen Batterie-Rohstoffe alle schon im Land – nicht als Erz, sondern gebunden in Millionen Speichern aller Größe, Form und Bauart. Konsequentes Recycling von Altbatterien könnte im Prinzip also viel direkter und nachhaltiger Rohstoffe liefern als alle Importe zusammen. Die Praxis ist allerdings nicht so einfach wie es sich anhört.
„Die Unsicherheiten sind groß“, sagt Dr. Alexander Holm, Technologiescout beim Netzwerk Transformations-HUB Wertschöpfungskette Batterie (TraWeBa). Und das aus mehreren Gründen. Recycling lohnt nur bei großen und konstanten Rückläufen. Noch aber ist die Menge an Altbatterien überschaubar – unter anderem, weil die Sammel- und Sortiersysteme noch große Lücken haben, außerdem halten so manche Akkus im Betrieb länger durch als erwartet.
Auch die schiere Vielfalt mit rund 300 Batterietypen und etwa 500 Modultypen erschwert eine standardisierte und damit wirtschaftliche Verwertung. Zudem sind die Zuständigkeiten für Transport, Lagerung und Handling von Batterien auf verschiedene Behörden in Bund und Ländern verteilt. Um Firmen aus der Batteriebranche Orientierung zu geben, hat TraWeBa gemeinsam mit Partnern vor einigen Monaten ein Planspiel vorgestellt, das die Stoff-, Finanz- und Datenströme in diversen Recyclingszenarien simulieren kann. Es soll Kooperationen begünstigen und helfen, Wertschöpfungsketten regional zu schließen.
Batterien mit Reisepass
Wer Batterien verwertet, weiß oft nicht, womit er es eigentlich zu tun hat. Herstellerangaben über die chemische Zusammensetzung bestimmter Zellen fehlen häufig. Der digitale Batteriepass, der ab 2027 für Fahrzeug- und Industrieakkus über zwei Kilowattstunden Kapazität vorgeschrieben ist, soll hier Abhilfe schaffen. Derzeit laufen die Arbeiten an den Kriterien im Pass auf Hochtouren. „Die Regulatorik entlang des gesamten Lebenszyklus eines Akkus und der Standardisierungsaufwand angesichts der vielen Typen sind enorm“, sagt Arne Grünewald, Projektmanager Energiespeichersysteme bei der VDE Renewables GmbH.
Am Ende des Tages soll sich der Aufwand lohnen. Die im Code gespeicherten Daten werden nicht nur das Recycling erleichtern. Sie geben auch Antwort auf die Frage, ob ein gebrauchter Akku repariert oder für eine Zweitnutzung erneut eingesetzt werden kann. Das Fraunhofer LBF will ab 2025 mit Partnern im Rahmen des Projekts BatDemBo ein automatisiertes Verfahren entwickeln, das die Schweißverbindungen zwischen den vielen tausend einzelnen Batteriezellen präzise aufbohrt. „Die einzelnen Zellen können dann je nach Zustand erneut verwendet werden“, sagt Dr. Benedict Götz, Leiter der Gruppe Systemzuverlässigkeit am LBF, was ein großes Plus für Lebensdauer und Nachhaltigkeit wäre.
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Mit ihrer Reihe „Beyond Elements“ richten die drei Veranstalter - Materials Valley e.V, EIT Raw Materials und Technologieland Hessen - den Blick auf eine der wichtigsten Fragen der Zeit: Wie sichern sich EU und Deutschland die Versorgung mit strategisch wichtigen Rohstoffen und stärken ihre Innovationskraft für kommende Technologien? Die nächste Veranstaltung am 15. Januar widmet sich dem Thema Elektronik, Halbleiter und Mikrosystemtechnik. Programm und Anmeldung
Eine Übersicht zur Veranstaltungsreihe finden Sie hier: